2. Tag: Auf Entdeckungstour durch Luxemburg-Stadt, oder: Ein neues Paar Füße, bitte!


Eigentlich hatten wir unsere Wecker heute auf 7.30 Uhr gestellt … eigentlich. Aufgestanden sind wir dann allerdings gut eine Stunde später, denn irgendwie waren wir beide vom Vortag noch viel zu gerädert.

Beim Frühstücken ließen wir uns ebenfalls etwas mehr Zeit. Mit so einem guten Frühstücksbüffet hatte ich in dem Hotel gar nicht gerechnet, aber es gab alles, was man für einen guten Start in den Tag benötigt. Und so brachen wir schließlich erst gegen 10 Uhr auf.

Bild Vom Hotel spazierten wir in das Vallée de la Pétrusse, einer Schlucht inmitten der Stadt. Sie wird durchzogen von dem gleichnamigen Flüsschen (Rinnsal traf es bei unserem Besuch wohl eher) "Pétrusse". Hier umgab uns wunderbare Ruhe, die Vögel zwitscherten - und wir konnten kaum glauben, dass wir gerade durch eine Großstadt liefen. Wahrlich eine grüne Oase.

Wir erreichten einen Aussichtspunkt und hatten von hier aus schöne Ausblicke auf die Umgebung sowie auf die riesige Brücke Pont Adolphe.

Über einen weiteren Aussichtspunkt erreichten wir schließlich den Place de Bruxelles und gingen von hier aus direkt zum Place de la Constitution. Hier steht die "Gëlle Fra", die "Goldene Frau". Sie ziert die Spitze des 1923 errichteten Monuments du Souvenir und ist Symbol für den Luxemburger Freiheits- und Unabhängigkeitswillen.

Nächster Anlaufpunkt war erneut der Place du Saint-Esprit. Nachdem wir ein paar schöne Tagfotos gemacht hatten, fuhren wir mit dem Lift zur Unterstadt Grund. Der Lift ist natürlich kostenlos und wird gut genutzt. Es ist der schnellste und einfachste Weg zwischen Ober- und Unterstadt.

Bild Unten angekommen, befindet man sich inmitten einer historischen Altstadt. Wären da nicht die vielen Autos, könnte man meinen, jeden Moment käme ein Pferdekutsche um die Ecke. Über die Rue St. Ulric spazierten wir entlang der Alzette zu den Resten der Grund-Schleuse und später zum "Maierschen", einem alten Wehrgang. Der Weg war irgendwie eigenartig, ziemlich viele Gerüste um uns herum - war das schon die richtige Richtung? Aber ja, unser Reiseführer zeigte uns genau diesen Weg. Also musste es wohl passen.

Über gewundene Treppen erreichten wir nach einiger Zeit - und natürlich stets von herrlichen Ausblicken begleitet - das Rham-Plateau. Früher gab es hier Kasernen, rund 1.760 Soldaten waren hier stationiert; heute dienen die Häuser als Altenpflegestätte.

Weiter spazierten wir über die alte Wehrmauer mit inzwischen leider nur noch zwei vorhandenen Türmen. Ursprünglich befanden sich hier einmal 15 Tore und 37 Türme, die jedoch der Schleifung im Jahre 1867 zum Opfer fielen. Der Spaziergang hier war wunderschön, die Sonne brannte vom Himmel, wir hatten blauen Himmel. Herrlich.

Nach einigen Treppenstufen kamen wir zur Abtei Neumünster. Sie diente von 1869 bis 1984 als Männergefängnis und beherbergt jetzt das Kulturzentrum Abbaye de Neumünster. Von hier aus spazierten wir entlang schöner Terrassengärten und der Alzette zur Abteikirche St. Johann und erreichten kurze Zeit später wieder enge Gassen. Plötzlich standen wir direkt vor dem Hauptsitz des Internet-Kaufhauses "Amazon". Aha, hier liegt also der Ursprung dieser Firma.

Über eine sehr steile, etwas größere, Pflasterstraße erreichten wir schließlich wieder die Corniche. Wir blickten zurück auf den Weg, den wir gerade gegangen waren - das war ja ein ganz schönes Stück. Ich finde es immer interessant, zurück gelegte Wege später noch einmal "von oben" zu betrachten.

Bild Wir spazierten zur Schlossbrücke mit dem Turm "Hohler Zahn", wo sich gegenüber der Eingang zu den Bock-Kasematten befindet. Die hatten wir bereits gestern schon entdeckt und Christian wollte sich das Unterirdische Labyrinth gerne ansehen. Schnell die Objektive gewechselt, bezahlten wir den Eintritt von 3,- € pro Person (Stand: Juni 2012) und traten ein.

Gleich zu Beginn befanden wir uns in der archäologischen Krypta, in der man anhand eines Videos ein klein wenig über die Geschichte der Stadt und der Burg erfährt. Gleich dahinter beginnen die Bockkasematten - ein imposantes unterirdisches Labyrinth aus Gängen, Räume und Treppen (oh ja - die Treppen … ich konnte danach keine Treppen mehr sehen …!).

Dieses Labyrinth ließen die damaligen Herrscher Luxemburgs zwischen 1737 und 1746 bis zu 40 m tief in den Sandsteinfelsen bohren. Ziel war eine kleine Stadt im "Bauch Luxemburgs", in der Tausende von Soldaten mit Pferden und Ausrüstung Platz fanden. Auch gab es hier Bäcker, Metzger, Köche und Handwerker. Während der Belagerung französischer Krieger im Jahre 1794/95 harrten die Soldaten Monate darin aus, bis das letzte Pferd verspeist war. Leider aber hatten auch die Franzosen Geduld und so mussten sich die Luxemburger schließlich ergeben. 40 km lang waren die Gänge der Kasematten, 23 km sind heute noch vorhanden.

Mit einem kleinen Plan bewaffnet, spazierten wir durch die zum Teil beleuchteten Gänge und konnten von einigen Kammern aus auf die Umgebung und in den Grund blicken. Ich hatte so ein "System" vorher noch nie gesehen und war wirklich beeindruckt. Allein der Gedanke an das eigene kleine Leben hier in diesen Felsen brachte mich zum Staunen. Ich hatte den Trubel direkt vor meinen Augen …

Wir liefen durch die Gänge, zwängten uns enge Wendeltreppen hoch und wieder runter und trotz des Plans standen wir plötzlich in einer Sackgasse. Verlaufen ist also durchaus möglich; doch findet man schnell wieder hinaus.

Bild Eine ganze Weile hier aufgehalten, ging es gegen die Mittagszeit wieder ans Sonnenlicht und wir spazierten zurück in die Innenstadt, zur Place d'Armes. Wie es immer so ist: Im Urlaub könnte ich ununterbrochen Essen, auch Christian hatte Hunger und so suchten wir uns im Restaurant "La Boucherie" einen Platz. Bei Steak und Salat planten wir den weiteren Tag und brachen gut eine Stunde später wieder auf.

Ziel war nun das Kirchberg-Plateau mit dem Centre Europeen - am anderen Ende der Stadt. Wir spazierten durch kleine Gassen hindurch und erreichten den Turm "Porte de Trois Tours". Von hier gingen wir weiter zu einem Aussichtspunkt am Boulevard J. Ulveling und genossen einen fantastischen Blick hinüber zum Centre Europeen und zum Fort Thüngen. Das war noch ein ganz schön weiter Weg bis dorthin.

Über das Pfaffenthal spazierten wir in Richtung der Eisenbahnbrücke und nahmen anschließend den kleinen Feldweg hoch zum Kirchberg-Plateau. Hier waren wir wieder vollkommen allein, inmitten der Natur. Nach rund 20 Minuten erreichten wir die Ausläufer des Fort Thüngen und blickten zurück auf die Oberstadt. Wunderschön, das alles mal von der anderen Seite zu betrachten.

Das Fort Thüngen (auch Dräi Eechelen genannt) wurde 1732 auf das Verteidigungswerk Redoute du Parc herum angelegt. In den Jahren darauf wurde es regelmäßig erweitert, 1874 schließlich wieder abgerissen. Übrig geblieben sind drei Türme, deren Dachspitzen überdimensionale Darstellungen von Eicheln zieren. Wir spazierten entlang der Anlage und erreichten kurze Zeit später das Museum der Modernen Kunst. Das Gebäude stammt vom Stararchitekten Ieoh Ming Pei, der auch die Louvre-Pyramide in Paris geschaffen hat. Zu sehen sind hier Sammlungen von über 100 zeitgenössischen Künstlern. Da wir beide wenig kunstbegeistert sind, gingen wir daran jedoch nur vorbei.

Bild Wenige Schritte weiter standen wir nun am Beginn des Centre Europeen. In unserem Reiseführer fanden wir einen Rundgang, den wir nun abgehen wollten. Die Einleitung á la "Zu Fuß ist der Kirchberg kaum zu bewältigen" belächelten wir zunächst nur. Etwa eine Stunde später wussten wir, was der Autor damit gemeint hatte …

Wir begannen am Europaplatz mit der elliptisch geschwungenen Architektur der Philharmonie. 823 weiße und 20 m hohe Säulen dominieren deren Fassade und lassen das Gebäude äußerst imposant erscheinen. Leider konnten wir es uns nicht von innen ansehen. Direkt daneben befindet sich ein interessantes, dunkelgraues, Gebäude, in dem die Hotelkette Melià untergebracht ist.

Einmal über die sehr breite Avenue John F. Kennedy spaziert, liefen wir entlang der Rue du Fort Niedergrünewald entlang und kamen direkt zum Justizgebäude Court de Justice European. Nachdem wir eine Tür mit der Aufschrift "Visitors" entdeckten, liefen wir einfach mal drauf zu und zu den Sicherheitskontrollen. "Are you journalist?" Unsere Antwort mit "no" war aber wohl die falsche, denn prompt wurden wir wieder nach draußen geschickt. Och menno, wie man's sagt, sagt man's verkehrt … ;-)

Bild Also liefen wir wieder weiter und entdeckten zahlreiche, hypermoderne Gebäude. Christian wusste gar nicht mehr, welches Gebäude er zuerst fotografieren sollte und auch ich fand die Gegend hier ziemlich interessiert. Zwar irgendwie "kalt" und "unpersönlich", aber doch auch wieder faszinierend. Wir entdeckten zahlreiche Skulpturen, darunter u. a. den "Non Violence", einen Revolver mit Knoten im Lauf, dessen Original vor dem UNO-Gebäude in New York zu finden ist.

Auf unserem weiteren Weg erreichten wir die Trois Îles, drei ineinander verschachtelte, dreieckige Edelstahl-Inseln in einem von Regenwasser gespeisten künstlichen See. War es gerade noch wunderbar sonnig mit blauem Himmel, zogen plötzlich Wolken auf und kurze Zeit später fing es zu Regnen an. Wir flüchteten uns durch den Park zum Coque, einem Sport- und Kulturkomplex mit einem Dach ähnlich einer Muschel. Hier hofften wir auf ein kleines Bistro, durch die Hitze zuvor hatten wir ganz schönen Durst bekommen, allerdings war hier kaum was los und der Kiosk hatte geschlossen.

Kurz ein wenig ausgeruht, kam auch schon wieder die Sonne zum Vorschein und eine Viertelstunde später marschierten wir wieder los. Wir spürten unsere Füße kaum mehr. Die Strecke hatte es wirklich in sich, nie hätten wir gedacht, dass sich das alles so ziehen würde und wir mussten das ja auch alles wieder zurück gehen, denn einen anderen Weg zurück in die Oberstadt gab es nicht … Hm, was tun? Wir bissen die Zähne zusammen und liefen weiter, denn neugierig waren wir ja schon.

Durch einen großen Park hindurch, vorbei an zahlreichen modernen Gebäuden, erreichten wir nach gut 1 ¼ Stunden ein Shoppingcenter. Hier stillten wir erst einmal unseren Durst, ließen unsere Füße sich erholen und spazierten anschließend zum äußersten Punkt des Centre Europeen vor; zur Stahlskulptur Exchange. Wir hatten es geschafft, wir sind tatsächlich alles zu Fuß abgelaufen; br>
Bild Und nun wieder alles zurück. Inzwischen war es 18 Uhr und wir gingen entlang der Avenue John F. Kennedy zurück zum Fort Thüngen und von hier aus wieder den Berg hinunter zum Pfaffenthal und auf der anderen Seite wieder hoch in die Oberstadt, die wir gegen 19.30 Uhr erreichten.

Das Restaurant fürs Abendessen war schnell gefunden, denn schon gestern stach es uns ins Auge; wie immer am Place d'Armes. Hier bestellten wir Flammkuchen und zum Nachtisch ein Eis und während wir es uns hier gemütlich machten, fing es draußen wieder zu Regnen an. Was hatten wir für ein Glück!

Wir ließen den heutigen Tag Revue passieren und freuten uns über die neu gewonnenen Eindrücke. Das moderne Viertel hat uns gut gefallen, aber generell fanden wir das Land irgendwie spannend - und anders. Für mich hat es einen ganz eigenen, besonderen, Charakter, den ich in bisher noch keinem anderen Land gefunden habe.

Gegen 21 Uhr spazierten wir wieder ein bisschen durch die Stadt und liefen zuerst zum Place Guillaume II mit dem Rathaus, anschließend zur Kathedrale Notre Dame. Hier befindet sich die Gruft der großherzoglichen Familie. Leider war die Kirche inzwischen geschlossen und wir hatten auch die nächsten Tage leider keine Zeit mehr, sie uns näher anzusehen.

Zum Abschluss des Tages spazierten wir zur Rue de la Loge, in die Altstadt, tranken hier gemütlich ein Bierchen und beobachteten die vielen - sehr gut gekleideten - Leute sowie die zahlreichen, teuren Autos. Das war natürlich wieder was für mich.

Doch langsam wurde es kalt und wir spazierten wieder zurück zum Hotel. Gegen halb 24 Uhr fielen wir hundemüde ins Bett. Da soll noch jemand sagen, wir würden unsere Tage nicht ausnutzen … ;-)

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