1. Tag: Anreise nach Colmar & Stadtrundgang


Schon um kurz nach 6 Uhr brachte mich Anton zum Bahnhof in Grafing b. München. Über das frühe Aufstehen waren wir beide nicht ganz so erfreut. Doch die Zugfahrt dauerte ein paar Stunden und ich wollte ja schließlich auch genügend Zeit zum Erkunden haben.

Besser durchgekommen als gedacht, erwischte ich sogar noch eine S-Bahn früher zum Hauptbahnhof München. Kaum losgefahren, verriet mir ein Blick auf die App: Menschen auf den Gleisen - es kommt zu Verzögerungen und Zugausfällen. Na das fängt ja schon gut an. Ich blieb allerdings ruhig, denn ich hatte über eineinhalb Stunden Zeit, bis mein ICE ging. Bis dahin würde ich es doch irgendwie nach München schaffen.

Tatsächlich war dann auch alles nicht so schlimm und ich erreichte gegen 7.30 Uhr den Hauptbahnhof München. Jetzt erst einmal Kaffee trinken und Zeitschriften kaufen. Um 8.00 Uhr saß ich im ICE nach Stuttgart. Die Fahrt verlief ruhig und angenehm, allerdings mit einer kleinen Verspätung, so dass der Anschlusszug nach Straßburg auf der Kippe stand. 8 Minuten Umsteigezeit waren aber auch echt knapp bemessen. Da allerdings der halbe Zug ans Endziel Paris wollte, teilte der Schaffner uns mit, dass man auf uns warten würde.

Um kurz vor 11 Uhr endlich den Hauptbahnhof Stuttgart erreicht, ging es im Eiltempo zum Anschlusszug. Doch das Gleis war leer - der Bahnsteig übervoll. Na wunderbar ... der ICE wurde seitens der Deutschen Bahn verspätet zur Verfügung gestellt, so dass wir rund zwanzig Minuten später als geplant starteten. Alle Hetze umsonst. Ich war froh um meinen reservierten Platz in der 1. Klasse. Für die 2. Klasse gab es Gedrängel und Geschubse.

Allerdings hatte die verspätete Abfahrt ihre Folgen. Meinen gebuchten Anschlusszug nach Colmar schaffe ich definitiv nicht mehr. Um zwei Minuten. Aber hilft ja nichts. Der nächste Zug ging zwanzig Minuten später, so dass sich die Verzögerung in Grenzen hielt. Bei so vielen Anschlüssen war es auch kein Wunder. Das Klischee der Deutschen Bahn musste ja auch erfüllt werden.

Ansonsten empfand ich das Zugfahren wieder als sehr angenehm und entschleunigend. Mit Lesen und einfach nur aus dem Fenster gucken waren die Stunden schnell vergangen. Leider funktionierte das W-LAN in keinem der Züge und auch der gewohnte Bord-Service fand nicht statt. Aber es gibt Schlimmeres.

Bild Und so erreichte ich nach rund 7 1/2 Stunden ab meinem Zuhause den Bahnhof Colmar. Whow - in dieser Zeit hätte ich auch um die halbe Welt fliegen können.

Doch da wollte ich ja gar nicht hin. Ich freute mich auf das Städtchen Colmar, von dem mir mein Onkel und meine Eltern schon so viel erzählt hatten. Google Maps nach dem Weg gefragt, lotste mich dieses in rund zehn Minuten zu meinem gebuchten Hotel 'Le Marechal' in Little Venice. Einmal mit dem Koffer über die halb aufgerissene Straße und Baustelle - und schon war ich da.

Das Zimmer war leider noch nicht bezugsbereit und so verstaute ich alles Nutzlose aus dem Rucksack in meinem Koffer, stellte ihn ab und düste los in die Stadt. Das Wetter war herrlich. Mit rund 26 Grad zwar fast ein bisschen zu warm. Dafür gab es aber auch Sonne und blauen Himmel.

Bild Gleich zu Beginn steuerte ich eine der bekanntesten Brücken von Colmar an, die Ponte de la Turenne, nur wenige Meter von meinem Hotel entfernt. Der Ausblick von hier auf den Fluss La Lauch sowie die farbenfrohen Fachwerkhäuser ist weltweit bekannt und wohl auch eines der beliebtesten Fotomotive unter den Influencern. Tatsächlich wuselte es auch ziemlich auf der Brücke. Gar nicht so ungefährlich, denn vor lauter Selfies und Posen übersehen die Touristen doch glatt den ganz normalen Autoverkehr, der hier stattfindet.

Auch mich hat der Ausblick fasziniert. Einfach wunderschön! Die Häuser schmiegen sich eng aneinander, jedes in einer anderen Farbe, teilweise ein bisschen schief, kleine Restaurants säumen das Flussbett. Am Brückengeländer glitzerte eine Vielzahl Schlösser in Herzchenform in der Sonne. Fast ausnahmslos das gleiche Schloss. Nur durch die eigenen Namen ergänzt.

Einmal abgebogen in die Rue de la Herse ging es ein paar Meter den Fluss La Lauch entlang. Hier war kaum mehr was los. Wie es immer so ist: Die Touristen tummeln sich an den Hauptplätzen.

Schon jetzt klickte und klackerte meine Kamera. Das kann ja was werden. An jeder Ecke gab es etwas zu entdecken. Ein Haus war schöner als das andere. Ich fühlte mich wie in einem Freizeitpark. Alles so akkurat, so sauber und schön gestaltet.

Ich spazierte die Rue Turenne entlang und weiter entlang des Quai de la Poissonnerie und erreichte den Fischerstaden, den Ort, an dem sich einst ein Großteil der Fischer aufhielt. Die gefangenen Fische wurden sowohl gelagert als auch am Fischmarkt verkauft. Leider zerstörte ein Feuer im Jahre 1706 mehr als vierzig der umliegenden Häuser. Von 1978 bis 1981 wurden erfreulicherweise einige der Häuser wieder restauriert. Heute strahlen sie in buten Farben entgegen.

Bild Über die Rue des Éscoles erreichte ich die Markthalle, die mich allerdings etwas enttäuschte. Im Verlauf der Jahre hatte ich schon zahlreiche Markthallen besucht und hier in Frankreich erwartete ich irgendwie etwas Besonderes. Stattdessen war es recht nüchtern, mit ganz normalen Markständen wie es sie auch in der Heimat gibt. 08/15-Obst und -Gemüse, Fisch gab es kaum und wenn, war die Auslage beim REWE hier in Deutschland deutlich größer. Zwischendurch findet man Souvenirstände und auch Weinverkostungen gibt es. Mich hat es nicht gepackt, so dass ich die Halle auch nach wenigen Minuten wieder verließ.

Gleich dahinter beginnt das Gerberviertel mit hohen Fachwerkhäusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Die Gebäude beherbergten einst die Familien der Gerber, die die Felle in der obersten Etage trocknen ließen.

In der Rue des Tanneurs war es gleich wieder lebhafter. Hier reihen sich Brasserien und Souvenirläden aneinander. Die Hausfassaden sind reich geschmückt. Die Brasserie des Tanneurs ist über und über mit Herzchen versehen, ein Fahrrad klebt an der Wand. Kitschig - aber definitiv ein Anziehungspunkt für Romantiker.

Mit Stadtplan bewaffnet hatte ich ganz fest vor, der darin verzeichneten Route zu folgen. Aber tatsächlich überforderte mich Colmar schon nach kurzer Zeit. Ich kam irgendwie nicht vom Fleck. Bog ich in eine Straße ein, zweigten drei weitere Gassen ab, die sehenswert waren, mein Stadtplan aber scheinbar nicht als sehenswert empfand. Ich lief links und rechts, kreuz und quer ... und war eine halbe Stunde später immer noch nicht weiter. Das war nicht weiter schlimm, schließlich hatte ich keinen Zeitdruck und wollte mir Colmar ja auch in aller Ruhe ansehen. Aber irgendwie hatte ich den Eindruck, gar nicht vom Fleck zu kommen. Selten hat mich eine Stadt so geflasht.

Bild Am Place de l'ancienne Douane, dem Platz des ehemaligen Zollamts, steht der Schwendi Brunnen mit einer Figur von Lazare von Schwendi. Drum herum befinden sich kleinere Bars und Restaurants. Das Koïfhus (Kaufhaus oder ehemaliges Zollamt) hatte mit dem Zusammenlauf der Grand Rue und der Rue des Marchands eine strategisch günstige Lage. Heute ist es das älteste heimische Gebäude. Seit der Erbauung hatte es zwei Funktionen. Im Erdgeschoss befand sich das Lager der im- und exportierten Waren. Im Obergeschoss fanden Versammlungen statt. Nachfolgend diente es u. a. als Theater und Handelskontor, auch eine Jungenschule war einmal hier untergebracht.

Ich spazierte einen kleinen Kanal entlang, vorbei an einladenden Gaststätten, und bog wieder ab, zurück auf die Grand Rue und stand nun auf der anderen Seite des Koïfhus. Ein kleiner Durchgang führt direkt wieder zum Schwendi Brunnen. In dem Durchgang fand gerade eine Weinverkostung statt. Winzer aus Colmar boten hier sog. Probiergläschen an. Einladend war das ja schon. Aber es war gerade mal früher Nachmittag und die Sonne brannte herunter. Jetzt noch Alkohol - dann würde ich mich wirklich verlaufen.

Eine Bimmelbahn fuhr gerade die Grand Rue entlang. Eine nette Idee der Stadtbesichtigung. Allerdings war sie auch bis auf den letzten Platz besetzt. Nein, da gehe ich dann doch lieber zu Fuß.

Über die Rue Basque erreichte ich eine kleine quadratische, grüne Oase, den Place du 2 Février mit dem ehemaligen Spital. Ein Platz zum Verweilen mit modern gestalteten Bänken im Schatten der Weinreben. Ich spazierte einmal um den Platz herum und legte eine kleine Erholungspause ein. Das ehemalige Spital ist heute keines mehr, aktuell befindet sich die Mediathek Colmars hier.

Gleich dahinter findet man die Saint Matthieu Kirche. 1292 mit dem Bau begonnen, wurde die Kirche erst im 14. Jahrhundert vollendet. Sie besitzt eine bemerkenswerte Akustik und ist deshalb Schauplatz für Konzerte des Internationalen Musikfestivals in Colmar.

Bild Über die Rue de Chasseur erreichte ich das ehemalige Pfarrhaus und ging weiter zur Place Jeanne d'Arc mit der Pâtisserie Claude Kraetz - untergebracht in einem unglaublich schön und liebevoll dekorierten Fachwerkhaus. Entlang der Rue de la Grenouillère erreichte ich die Synagoge, drehte dann aber auch wieder um und fand mich kurze Zeit später in der Rue de Clefs wieder - der Einkaufsmeile Colmars. Hier findet man bekannte Marken, aber auch kleine Boutiqen.

Im weiteren Verlauf der Straße war ein kleiner Warenmarkt aufgebaut. Links und rechts Artikel die niemand braucht, die aber so typisch sind für Warenmärkte. Zum Glück sprach mich hier so absolut gar nichts an. Meinen Geldbeutel freute es.

Vorbei am Rathaus, drehte ich ein Stückchen wieder um und bog ab in die Rue Saint Nicolas. Auch hier entdeckte ich wieder so liebevoll gestaltete Häuser. Wer einen Stadtrundgang durch Colmar macht, sollte unbedingt immer mal wieder einen Blick nach oben werfen. Oft befinden sich auf den Giebeln oder auch an den Fenstern kleine Details. So z. B. eine Storchenfamilie als Metallfiguren dargestellt oder auch kleine Gemälde.

Bild Einige Schritte weiter erreichte ich die Place de la Cathédrale mit der Stiftskirche Sankt-Martin (Martinsmünster). Von 1235 bis 1365 erbaut, ist sie ein Hauptwerk der gotischen Architektur im Elsass. Im Inneren der Kirche fanden mehrere Renovierungen statt. 1982 fand man dabei die Fundamente einer Kirche aus den Jahren um 1000. Auch heute befand sich eine große Baustelle direkt davor. Tatsächlich entdeckte ich auch hier einige Fundamente - vermutlich weitere Ausgrabungen?

Die Kirche selbst war geöffnet, es fand aber gerade eine Trauung statt. Während andere Touristen völlig unbeeindruckt davon einen Rundgang durch den Münster vornahmen, beschränkte ich mich auf einen kurzen Blick vom Eingang aus. Manche sind aber auch echt unsensibel.

Direkt gegenüber des Münster befindet sich die ehemalige Polizei-Wache sowie das Adolphshaus. Es wurde 1350 erbaut und wird als eines der ältesten in Colmar angesehen.

Durch einen kleinen Durchgang hindurch streifte ich das Bartholdi-Museum und lief die Rue des Marchands zur Place de l'École weiter zur Rue des Serrueriers. Vorbei an hübschen Pâtisserien mit wundervollen Auslagen erreichte ich die Place des Dominicains mit der Dominikanerkirche, mit deren Bau bereits 1283 begonnen wurde.

Einmal an der Kirche vorbei, stand ich wenige Minuten später direkt vor dem Unterlinden Museum. Ein Kunstmuseum, welches zwar sehr sehenswert sein soll, mich allerdings nicht gelockt hat. Dafür war auch das Wetter draußen viel zu schön.

Durch den kleinen Park mit Bachlauf hindurch und die Rue de Unterlinden entlang, streifte ich die Touristeninformation und kurze Zeit später das Théâtre Municipal de Colmar aus dem Jahre 1849.

Bild Entlang der Rue Kléber machte ich mich nun langsam mal auf den Weg zurück zum Hotel. In der Zwischenzeit sollte mein Zimmer längst bezugsfertig sein, vom vielen Laufen taten mir auch ein wenig die Beine weh und ich freute mich darauf, sie ein wenig hochzulegen. Und so spazierte ich auf direktem Wege über die Rue des Merchands und die Grand Rue.

Im Hotel angekommen - den Check-In hatte ich ja vorhin schon erledigt - brachte mich der junge Portier zu meinem Zimmer. Das war auch gut so, denn alleine hätte ich mich sicherlich verlaufen. Die Treppe nach oben, weiter den Gang nach hinten, die nächste Treppe nach links, danach ein paar Stufen wieder nach rechts unten und rechts abgebogen - ob ich jemals wieder zurückfinde? Aber so ist das eben mit alten Häusern.

Ich hatte mich ja bewusst für dieses Romantik-Hotel entschieden. Zum einen, weil es mitten in Little Venice liegt, zum anderen weil ich auch gerne mal ins Innere eines alten Fachwerkhauses blicken wollte. Das historische 4-Sterne-Hotel Le Marechal wurde im Jahr 1565 auf den Befestigungsmauern aus dem 12. Jahrhundert, die rund um die Stadt verlaufen, errichtet und steht heute unter Denkmalschutz. Seit über 40 Jahren beherbergt das Hotel 30 individuell gestaltete Zimmer und Suiten. Mit Stil und modernster Technik ausgestattet, ober dennoch seine Ursprünglichkeit bewahrend.

Nachdem mir der junge Mann alles genau erklärt hatte (so groß war das Zimmer eigentlich gar nicht), ruhte ich mich erst einmal ein wenig aus. Das Zimmer war hübsch, wirklich sehr klassisch, aber auch sauber und zum Wohlfühlen. Zusätzlich genoss ich vom Fenster aus einen schönen Blick direkt auf den Fluss La Lauch und die Brücke La Turenne.

Eine gute Stunde ruhte ich mich aus, doch dann zog es mich doch wieder nach draußen. Inzwischen war es früher Abend und eine kleine Ecke der Stadt hatte ich noch nicht gesehen.

Bild Über die Rue Turenne spazierte ich zum Musée d'Histoire Naturelle und weiter zur Place de l'Ancienne Douane. Vorbei am Schokoladenmuseum entdeckte ich das Pfisterhaus aus dem Jahre 1537 mit dem markanten Eckerker auf zwei Etagen, seiner Holzgalerie, dem achteckigen Türmchen und dem Mauerband mit biblischen Szenen. Das Haus gehört zu den Symbolen des alten Colmars und wurde nach der Familie benannt, die es von 1841 bis 1892 bewohnte. Wirklich sehr beeindruckend und für mich eines der schönsten Gebäude der Stadt.

Vorbei am Bartholdi Museum und die Rue des Marchands entlang, bog ich schließlich ab zum Parc du Champ-de-Mars, eine weitläufige Parkanlage mit Statuen und zahlreichen Schatten spendenden Bäumen. Gleich zu Beginn befindet sich der Place Rapp mit dem Rapp-Denkmal.

Diese Statue, die dem General Jean Rapp gewidmet ist, stand einst auf der Champs-Elysées in Paris und wurde 1855 bei der Weltausstellung gezeigt, bevor sie dann 1856 nach Colmar gebracht wurde. Sie entstammt dem Künstler Auguste Bartholdi.

Auf diesem sehr großflächigen Platz gibt es zudem eine kleine Brunnenanlage, die vor allem für die Kids und in den heißen Sommermonaten großen Spaß bedeutet. Zahlreiche Flaggen wehen im Wind und der riesige, knallrote Schriftzug 'Colmar' zieht so gut wie jeden Touristen für ein Foto an. Im Hintergrund ist der Münster zu sehen.

Auch ich hielt mich hier eine Weile auf, sah den spielenden Kindern zu und schmunzelte über die verrückten Posen, die die Leute hier am und auf dem Schriftzug machten. Manche werden dann eben doch wieder zu Kindern und kraxeln munter herum.

Im Herzen der Parkanlage steht das Karussell 1900, das größte hölzerne in Frankreich erstellte. Der Anblick hat mich wirklich fasziniert. Auf zwei Etagen und in zwei Reihen freuen sich nicht nur Kinder über eine kleine Fahrt. Auch die Eltern waren mit einem Strahlen im Gesicht mit dabei. Pferde, Esel, kleine Kutschen und vieles mehr sind in liebevoller Arbeit erbaut worden. Gleich gegenüber steht ein kleiner Kiosk, der Délices du Carrousel. Hier duftete es herrlich nach gebrannten Mandeln, Popcorn und allerlei Süßkram. Fast schon wie ein kleiner Freizeitpark.

Vorbei am eher modernen Bruat Brunnen, in dem ebenfalls die Kids badeten, lief ich weiter die Rue Bruat entlang und dann über die Rue Camille Schlumberger. Nun entfernte ich mich etwas vom historischen Teil der Stadt und fand mich kurze Zeit später in einem Wohnviertel wieder. Kaum ein Mensch war zu sehen.

Bild Die Präfektur hinter mir gelassen, erreichte ich kurze Zeit später den Cour d'Appel, das Berufungsgericht Colmars. Ein sehr imposanter Bau.

Entlang der Avenue Raymond Poincaré erreichte ich nun den Parc du Château d'eau mit dem Wasserturm. Im 14. Jahrhundert erbaut, diente der dazu, die Verteilung des Trinkwassers in Comlar zu regeln. Er wurde auf einem der höchsten Punkte der Stadt erbaut, ist 53 Meter hoch und hat ein Fassungsvermögen von 1.200 m³. Seit 1984 stillgelegt, gehört er zu den ältesten, erhaltenen Wassertürmen im Elsass und gleicht ein bisschen dem in Mannheim.

Rund herum erstreckt sich eine tolle und sehr ruhige Parkanlage mit einem Rosengarten von 450 m² und hohem Baumbestand. Ich genoss die herrliche Ruhe, lachte über die Camper, die ihr Wohmobil am Straßenrand ab- und ihre Campingmöbel mitten im Park aufgestellt hatten und legte eine kleine Pause auf einer der zahlreichen Parkbänke ein. Nachdem mich dann allerdings nach einiger Zeit ein älterer Herr dauerhaft angestarrt hatte und sich in meine unmittelbare Nähe gesetzt hatte, brach ich dann doch lieber wieder auf.

Zurück ging es nun über die Avenue Joffre und den Boulevard du Général Leclerc entlang, vorbei an der Kapelle Sankt Peter, als ich schließlich wieder mein Hotel erreichte. Tatsächlich hatte ich nun gem. Stadtplan alles von Colmar gesehen und freute mich riesig über die vielen tollen Eindrücke, die ich heute im Verlauf des Tages gewinnen konnte.

Bild Man hatte mir wirklich nicht zu viel versprochen. Colmar ist ein wunderschönes Fleckchen, eine sehr sehenswerte Stadt, in der man sich auf Anhieb wohlfühlt. Tatsächlich wirkt sie im historischen Kern wie so ein kleines Freilichtmuseum. Auch oder vor allem wegen der zahlreichen Hinweisschilder zu den einzelnen Sehenswürdigkeiten und Gebäuden. An jeder Ecke gibt es etwas zu sehen, aus den Pâtisserien duftet es und von den zahlreichen Cafés hört man fröhliches Lachen. Ein Ort zum Abschalten.

Das einzige, was ich nicht von Colmar gesehen habe, das mir fußläufig aber auch einfach zu weit weg war, ist die Freiheitsstatue von Colmar. Diese 12 Meter hohe Statue aus Kunstharz ist eine Nachbildung der Freiheitsstatue in New York und wurde im Rahmen der Gedenkfeier zum 100. Todestag von Auguste Bartholdi (dem Erfinder der Freiheitsstatue) am nördlichen Eingang der Stadt an einem Kreisel errichtet. Von Little Venice ca. 5 Kilometer entfernt, allerdings kein besonders schöner und einladender Fußweg.

Im Hotel frisch gemacht für den Abend, spazierte ich nun nochmals querfeldein und ohne Stadtplan bewaffnet durch die Stadt. Ich ließ die vielen Fachwerkhäuser nochmals auf mich wirken, entdeckte dabei wieder viel Neues und viele kleine Besonderheiten. Jetzt, in der tief stehenden Abendsonne, leuchteten die Häuser nochmals viel intensiver und bunter entgegen.

Weil ich noch nicht besonders viel gegessen hatte und sich mein Magen langsam sehr energisch zu Wort meldete, suchte ich mir einen schönen Platz im Restaurant Koifhus, direkt am Schwendi-Brunnen. Das Wetter war herrlich, inzwischen hatte es echt angenehme Temperaturen. Ich entschied mich für einen original Elsässer Flammkuchen, dazu ein guter Rosé-Wein und zum Nachtisch noch Crème Brûlée und verbrachte einen richtig schönen und gemütlichen Abend.

Gut gestärkt, drehte ich am Platz noch eine kleine Runde, blickte in den ein oder anderen Laden und legte erneut eine kleine Pause im Hotel ein. Eine Folge meiner Lieblingsserie gucken und die Füße hochlegen, die waren heute schon lang und weit unterwegs.

Mit Einbruch der Dunkelheit, genauer gesagt zur Blauen Stunde, machte ich mich dann ein letztes Mal für diesen Tag auf den Weg durch Colmar. Ich wollte die Stadt noch in ihrem Lichtermeer sehen und wurde nicht enttäuscht. An allen Ecken strahlte es. Das kühle Lüftchen tat richtig gut und um diese Zeit lernte ich den Ort nochmals ganz anders kennen.

Bild Besonders gut gefielen mir die Lichtspiele an den Gebäuden. Viele Häuserfassaden wurden immer abwechselnd in verschiedenen Farben angestrahlt. Mal waren sie Lila, dann wechselten sie in ein schönes Blau, um dann doch wieder Rosa zu werden. Das alles passierte so unaufdringlich, so nebenbei. Wer schnellen Schrittes vorbei rauscht, bekommt das sicherlich gar nicht so mit. Auch der Münster wurde in gleich drei verschiedenen Farben angestrahlt.

Ein Highlight war definitiv die Lichtershow an der Alten Polizeiwache gegenüber des Münster. Hier zeichneten sich kleine Blüten auf die Fassade, die anschließend zu Schmetterlingen wurden, die dann wiederum wegflogen. Wirklich schön gemacht. Und das ganz ohne Festival oder ähnliches. Das findet hier jeden Abend statt und ist sicherlich ein Besuchermagnet.

Gut eineinhalb Stunden spaziere ich kreuz und quer durch das romantisch beleuchtete Colmar. Ich sah in die Schaufenster, lief an voll besetzten Restaurants und Bars vorbei. Auch um 22 Uhr wurde hier noch ausgiebig gespeist. Aber die Franzosen zelebrieren ja ohnehin das Abendessen.

Vollkommen fasziniert von dieser Stadt und den heutigen Eindrücken ging es gegen 23 Uhr schließlich zurück ins Zimmer und ins Bett. Meine Beine waren schwer geworden, ich fiel regelrecht in die Federn und schlief auch sofort ein. Was für ein langer und wunderschöner Tag.

Bild
Bild