4. Tag:
Tallinn (Estland): Zu Besuch im Mittelalter


Bereits um 7 Uhr legten wir im Hafen von Tallinn an. Wie immer, hatten wir davon nichts mitbekommen. Das Einparken erfolgt bei TUI Cruises immer sehr geräuschearm.

Auf ein Frühstück verzichteten wir und machten uns gegen 9.30 Uhr auf den Weg in die Stadt. Da der Fußweg doch weiter aussah als gedacht, nahmen wir den Shuttlebus für 9,- € pro Person in Anspruch (Abrechnung erfolgt über die TUI Bordkarte, Stand: Juli 2017). Zwar kann man mit dem Ticket beliebig oft hin und her fahren; teuer fand ich es allerdings schon für gerade mal zehn Minuten Fahrt.

Bild Tallinn ist mit rund 430.000 Einwohnern die mit Abstand größte Stadt Estlands und ein bedeutendes Wirtschafts- und Kulturzentrum. Nach Jahrhunderten dänischer, schwedischer, deutscher und russischer Herrschaft wurde Estland 1918 unabhängig. 1940 von Russland besetzt, wurde Tallinn erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 zur Hauptstadt ernannt.

Start unseres Rundgangs war die Rannagmäe tee unweit der Dicken Margarethe. Dieser mächtige Turm mit 25 m bewacht die große Strandpforte. Von hier aus wurde damals das Nordende der Altstadt zur Seeseite hin verteidigt. Heute ist hier das Estnische Museum für Seefahrt untergebracht.

Über kleinere Gassen erreichten wir die Olaikirche, die nach dem norwegischen König Olaf benannt wurde. 234 Stufen führen auf den 124 m hohen Turm. Logisch, dass ich da hoch musste.

Bild Pünktlich zur Kirchenöffnung standen wir am Ticketschalter. 5,- € pro Person (Stand: Juli 2017) bezahlt, marschierten wir los. Die Treppen sind eng, rutschig und der Aufgang steil. Meine Schwiegereltern verwünschten mich schon nach den ersten 20 Stufen ... sorry, aber Ihr wolltet doch Abenteuer? Ja, ich gebe zu: Auch ich kam ins Schwitzen. Irgendwie schien der Aufstieg kein Ende zu nehmen, so langsam bekam ich einen Drehwurm bei der Wendeltreppe. Die letzten paar Meter führen über eine sehr steile Holztreppe, dann waren wir aber endlich angekommen.

So eine Aussichtsplattform gäbe es ja bei uns nicht mehr. Nur sehr spärlich abgesperrt, der Weg rund um den Turm mit wackligen Holzlatten ausgelegt und sehr eng. Mir gefiel's. Sehr rustikal und die Aussicht einfach unglaublich! Von hier konnten wir die gesamte Stadt überblicken und auch die 'Mein Schiff 6' war natürlich zu sehen. Der Aufstieg hat sich wirklich gelohnt und kann ich jedem nur ans Herz legen.

Langsam wurde es immer voller hier und nach einer guten halben Stunde traten wir wieder den Rückweg an. Natürlich kamen uns jetzt einige entgegen, was den Abstieg nicht leichter machte. Was die Leute nicht auch alles hier mit hochnehmen ... riesige Rucksäcke ... wollen die hier übernachten?

Bild Noch kurz das Kircheninnere besichtigt, ging es anschließend weiter über die Vene vorbei am ältesten Café Tallinns, dem Maiasmokk. Übersetzt heißt das "Schleckermaul", was sich natürlich auf die verführerischen Torten und das Gebäck bezieht, das alles vor Ort hergestellt wird.

Wir bewegten uns auf der Pikk, eine der wichtigsten Straßen Tallinns, die auf 1,1 Kilometer Länge den alten Stadtkern von Norden nach Süden durchläuft. Eng gepflastert und gesäumt von niedrigen, verschiedenfarbigen Häusern fühlt man sich wie in einer Märchenstadt. Die alten Gildehäuser gelten als die schönsten der Stadt. Interessante Lokale, typisch estnische Restaurants und Bars laden zum Verweilen ein.

An der Ecke Pühavamiu steht die Heiliggeistkirche aus dem 14. Jahrhundert, das einzige Sakralgebäude, das noch in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben ist. Die auf der Fassade aufgemalte Uhr ist der älteste öffentliche Zeitmesser der Stadt.

Bild Gleich gegenüber findet man das Haus der Großen Gilde, das einst den einflussreichsten Kaufleuten und Reedern gehörte und heute ein Museum für Estnische Geschichte beherbergt.

Ein paar Schritte weiter erreichten wir den großzügig angelegten Rathausplatz, der seit dem Mittelalter das Zentrum der Stadt bildet. Das Tallinner Rathaus aus dem Jahre 1404 ist das älteste und einzig erhalten gebliebene Rathaus im gotischen Stil in Nordeuropa. Über 700 Jahre lang wurde von hier aus die Stadt regiert, heute finden dort Konzerte und festliche Empfänge statt. Auch hier führt eine Wendeltreppe nach oben auf eine Aussichtsplattform. Allerdings brauchte ich damit jetzt gar nicht mehr zu kommen ... ein Aufstieg am Tag reichte meinen Begleitern sichtlich.

Einige Straßen weiter erreichten wir die Nikolaikirche, die im 2. Weltkrieg komplett zerstört und anschließend wieder neu aufgebaut wurde. Heute findet man darin das Estnische Kunstmuseum.

Bild Das Highlight des Rundgangs war schließlich der Besuch des Dombergs. Im Mittelalter waren Unterstadt und Domberg einst von Mauern, Toren und Türmen getrennt und somit auch die Menschen. Während in der Unterstadt die einfachen Handwerker und Kaufleute wohnten, residierten oben auf dem Domberg die Adeligen und Geistlichen.

Auf dem 50 m hohen Kalksteinplateau, welches wir über das Kurze Bein (Lühike jal) erreichten, befindet sich das eher unscheinbare Schloss, in dem heute das Parlament tagt und daher nicht besichtigt werden kann. Beeindruckend dagegen wirkt die reich geschmückte Alexander-Newski-Kathedrale, die wir bereits von der Aussichtsplattform der Olai-Kirche von weitem bewundern durften. Die größte Kuppelkirche Tallinns prägt mit ihren Zwiebeltürmen die Silhouette der Stadt. Sie wurde 1900 errichtet, also genau zu der Zeit, in der Estland Teil des Zarenreiches war. In den Türmen befindet sich ein mächtigtes Kirchenglocken-Esemble mit u. a. einer 15 Tonnen wiegenden Hauptglocke.

Bild Ich konnte mich gar nicht satt sehen daran. Das war schon einmal ein kleiner Vorgeschmack auf Russland, eine langsame Annäherung an den ganzen Prunk und Protz. Auch das Innere sahen wir uns näher an, der Altar geizt hier auch nicht mit Gold. Fotografieren war allerdings verboten.

Zurück in die Unterstadt ging es über das Lange Bein (Pikk jalg), eine Gasse aus Kopfsteinpflaster. Hier trafen wir auf einige Maler und Pantomimen-Darsteller. Eher durch Zufall entdeckten wir das kleine, aber sehr gemütliche Café Boca Pott, eine Mischung aus Bar, Café und mittendrin eine Kunstwerkstatt. Dementsprechend waren auch die Kaffeetassen und Teller gestaltet. Wirklich sehr gemütlich und der Kuchen war ebenfalls ausgesprochen gut.

Aber was brannte es hier herunter. Die Sonne meinte es heute besonders gut mit uns, damit hatten wir hier im Norden so gar nicht gerechnet. Aber natürlich waren wir dankbar dafür.

Über die Vene spazierten wir langsam wieder zurück in Richtung des Shuttlebusses. Von Tallinn hatten wir nun alles gesehen, eine sehr tolle, mittelalterliche Stadt, die es mir wahrlich angetan hat. Hier kann man es durchaus aushalten, denn auch die vielen Lokalitäten sahen sehr einladend aus. An allen Ecken wird mit Honig-Bier geworben, dazu deftiges, estnisches Essen. Eigentlich schade, dass ich a) kein Bier mag und b) sich derzeit auch so gar kein Hungerfühl bemerkbar machte.

Bild Ein bisschen an Bord entspannt, ging es zum Auslaufen aus Tallinn wieder aufs Sonnendeck. Inzwischen hatte sich die Sonne verabschiedet, es war bewölkt und ziemlich frisch. Was hatten wir für ein Glück! Das Auslaufen war jedoch wenig spektakulär und kurz darauf trafen wir uns mit den Schwiegereltern wieder zum Abendessen.

Heute stand der Besuch im GOSCH Sylt auf dem Plan. Hier kann man sowohl á la carte als auch in Büffetform essen. Wir wählten ersteres und verbrachten einen äußerst gemütlichen Abend mit fantastischen Speisen.

Ich konnte mich zwar nicht so dafür begeistern, Toni allerdings wollte gerne die eigens für die 'Mein Schiff 6' kreierte Show "Wellenreiter" ansehen und so machten wir uns zu Viert auf den Weg. Was soll ich sagen? Zwei von uns verabschiedeten sich bereits nach kurzer Zeit, Toni und ich harrten bis zum Schluss aus. "Schlecht" ist die Show nicht, aber etwas undurchsichtig, gesanglich stellenweise problematisch. Aber die Akrobatik war beeindruckend. Alles in allem eine solide Show, die man aber kein zweites Mal gesehen haben muss (persönliche Meinung!).

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Fotoalbum Tallinn im Juli 2017


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