6. Tag: Spaziergang durch Honningsvåg und Fahrt zum Nordkap


Hatten wir den gestrigen Tag über kaum Land gesehen, kamen wir diesem heute immer näher und näher. Schon beim Frühstücken sah man die verschiedenen Inseln und immer wieder schossen kleine und größere Felsen aus dem Wasser. Das Wetter wechselte sich mit Sonnenschein und Bewölkung ab, das Meer glitzerte. Es sah hier alles so wunderbar friedlich und märchenhaft aus.

Um 11.30 Uhr erreichten wir schließlich das Nordkap. Das war natürlich eines der (ersten) Highlights dieser Reise - das Nordkap vom Meer aus zu betrachten! Von unten sieht der Felsen zunächst aus wie jeder andere auch, nur ganz klein konnten wir die Weltkugel auf dem Plateau erkennen. Ich freute mich sehr, denn in wenigen Stunden würden auch wir dort oben stehen!

Bild In Sonne gehüllt wurde der Felsen zwar leider nicht, aber ich war trotzdem mehr als zufrieden damit, dass es bewölkt und trocken war. Es hätte auch regnen können. Und auf der anderen Seite des Schiffes hatte sich ja auch schon der blaue Himmel aufgetan.

Toni und ich hielten uns lange hier an Deck auf und sahen dem Felsen hinterher, bis er fast verschwunden war. Von Weitem betrachtet sieht er dann doch sehr beeindruckend aus, wie ein riesiger, abgeschliffener Stein.

Etwa eineinhalb Stunden später standen wir erneut auf dem Außendeck, denn wir näherten uns dem heutigen Anlaufhafen Honningsvåg. Zuerst entdeckten wir nur kleine Dörfchen, schließlich eröffnete sich uns eine kleine Stadt. Über Honningsvåg hatte ich vorab wenig in Erfahrung bringen können. In meinen beiden Reiseführern ist der Ort nicht näher beschrieben und auch im Internet war nichts wirklich Interessantes darüber zu lesen. Demzufolge würde es wohl ein kurzer Stadtrundgang werden, aber raus wollte ich auf jeden Fall.

Der Kapitän fuhr rückwärts in den Hafen ein, bereits zu sehen war die Polarlys von Hurtigruten. Für diese Schiffe gibt es aber in Norwegen immer eine eigene Anlegestelle; sie müssen nicht mit den großen Kreuzfahrtschiffen teilen.

Bild Von hier aus hatten wir einen tollen Ausblick über die Stadt. Groß war sie ja wirklich nicht, aber mit den bunten Häusern sah sie sehr einladend aus. Wir betrachteten das Einparken an der Anlegestelle und plötzlich rief Toni: Schau mal, da sind Rentiere … und tatsächlich … auf der Straße gegenüber marschierten ganz gemütlich drei Rentiere. Scheinbar ein alltägliches Bild, denn die Rad- und Autofahrer kümmerte das wenig, sie fuhren einfach drumherum. Ich fand's toll. Auf dem Berg gegenüber konnten wir dann noch ein paar weitere Rentiere beim Grasen beobachten. Dass die sich hier so nah an der Stadt aufhalten, hätte ich nicht gedacht.

In der Sahara Cafeteria stillten wir unseren Hunger bei einem kleinen Mittagessen und gingen schließlich gegen 13.30 Uhr von Bord. Einfach mal quer durch die Stadt spazieren und sehen, was es hier so alles gibt.

Wir liefen kreuz und quer und betrachteten die zahlreichen Häuser mit ihren tollen Gärten mit Blick aufs Meer und die Fjorde. Was für ein schönes Fleckchen! Doch in einem waren wir uns auch schnell einig: So schön es hier auch war - wohnen würden wir hier beide nicht wollen. Es wirkt doch alles sehr einsam hier.

Bild Die einzige Kirche der Stadt besucht, spazierten wir über diverse Hügel wieder in Richtung Innenstadt, trafen auf ein paar Hunde und Katzen und besuchten anschließend noch den Souvenirshop am Hafengelände. Nachdem ich zwar alles auf dieser Reise mit dabei hatte, nicht aber einen Schal, musste dieser heute noch gekauft werden. Und ich wurde tatsächlich fündig. Jetzt kann das Nordkap kommen!

Wieder an Bord, gab es eine Kleinigkeit zu Essen, anschließend ruhten wir uns ein wenig auf der Kabine aus. Während Toni noch ein Nickerchen hielt, machte ich es mir auf dem Balkon bequem. Heute lag noch ein langer Tag vor uns …

Das Abendessen gab es für uns heute gegen 20 Uhr in der Sahara Cafeteria. Für ein á-la-carte-Essen würde es heute zu eng werden, wir hatten ja noch einen Ausflug vor uns, außerdem hatten wir aufgrund unseres nachmittäglichen Snacks auch gar keinen so großen Hunger. Das Essen war hier wirklich in allen Bereichen ausgesprochen lecker, so dass wir häufig viel zu viel aßen. Da müssen wir uns nach der Kreuzfahrt aber mal wieder erheblich einschränken. ;-)

Um 21.30 Uhr begaben wir uns ins Royal Theatre, denn hier war Treffpunkt für unseren Ausflug. Schon von zu Hause aus hatten wir den Transfer von Honningsvåg ans Nordkap gebucht; eine der beliebtesten Touren der Kreuzfahrt. Natürlich hatten wir uns auch Gedanken darüber gemacht, auf eigene Faust dorthin zu fahren, dies dann jedoch schnell wieder verworfen. Das Ziel war ja ohnehin das gleiche und auch preislich hätten wir uns gar nicht so viel gespart mit Mietwagen und Eintrittspreis fürs Nordkap (= 245 NOK, ca. 30,- € pro Person, Stand: Juli 2013).

Aufgrund der Vielzahl der Ausflügler wurden die Touren ans Kap in verschiedene Zeitfenster gepackt und so fanden zwischen 19.30 Uhr und 22.00 Uhr fünf Abfahrten statt. Am ersten Tag dieser Kreuzfahrt musste man seinen unverbindlichen Wunschtermin mitteilen.

Unser Plan war natürlich, den letzten Transfer zu nehmen, denn dann würden wir uns direkt um Mitternacht am Nordkap befinden. Zum einen ist es natürlich ein Highlight, zur Mitternachtssonne dort oben zu stehen; zum anderen war es aber auch die Nacht auf meinen Geburtstag und wieso nicht an der Weltkugel anstoßen? Deshalb war ich auch mal ganz frech und hab vorsichtshalber auf dem Zettel vermerkt, dass ich aus genau diesem Grund unbedingt den letzten Bus nehmen möchte - es hat geklappt, denn wir bekamen die Tickets für den letzten Transfer.

Bild Aufgeteilt auf die Busse, ging es gegen 21.45 Uhr dann auch los. Kurz nach Honningsvåg eröffnete sich uns eine wundervolle Landschaft! Wir fuhren vorbei an zahlreichen kleinen Seen, an denen zumeist ein paar Holzhütten standen; ganz einsam und verlassen. Wir entdeckten immer wieder Herden von Rentieren, die ohne Scheu am Wegesrand grasten. Fantastische Ausblicke, die wir hier genießen konnten.

Gut zwanzig Minuten gefahren, erreichten wir ein kleines Dorf der Sami. Natürlich war es ziemlich touristisch, dennoch war es auch mal ganz interessant, die Tracht der Sami zu sehen. Es waren Zelte aufgestellt, die das damalige, ursprüngliche, Leben der Sami darstellen sollten, auch ein Rentier war am Platz und in einem größeren Zelt konnte man ein paar Souvenirs kaufen.

Insgesamt gibt es derzeit rund 70.000 Sami, wovon rund 40.000 in Norwegen leben. Die Ursprünge der Rentierjäger und -züchter, aber auch Fischer und Jäger, sind leider nicht genau bekannt. Erste Spuren stammen aus der Steinzeit, doch ob sie von den Alta (einer rund um die Arktis verbreiteten Ethniengruppe) abstammen oder einwanderten, weiß man bis heute nicht. Leicht hatte es der Stamm jedoch nicht. Zunächst vertrieben, anschließend fast ausgerottet, wurden sie schließlich zur Sesshaftigkeit gezwungen, die samische Sprache wurde verboten und erst seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden sie wieder als Minderheit anerkannt.

Sind sie früher ausschließlich zu Fuß gegangen oder auf Rentieren geritten, haben sie sich der Modernität angepasst und fahren zum Beispiel Geländewagen, um ihre Herden zusammenzuhalten. Doch auf die Tracht wird nach wie vor nicht verzichtet. Nicht im alltäglichen Gebrauch, dafür aber auf verschiedenen Festen, treten die Sami in ihrer Tracht auf und besingen in traditioneller Art die Landschaft und ihre derzeitige Stimmungslage.

Weiter ging es schließlich nach wenigen Minuten direkt zum Kap. Beim ersten Anblick waren wir etwas überrascht - ich wusste gar nicht, dass es hier einen Campingplatz gibt!! Ich glaube, es waren rund 70 Wohnwägen zu sehen, alle zum Meer hin ausgerichtet. Weiter hinten standen dann zahlreiche Busse. Doch trotz des ganzen Fuhrparks hielten sich die Leute dafür dann doch in Grenzen. Sicher waren es immer noch eine Menge Menschen - aber es war auszuhalten!

Und wo viele Touristen sind, gibt es natürlich auch entsprechende Zentren. Direkt vor uns lag das Informationszentrum mit Museum, Cafeteria und Souvenirladen. 1994 wurde das erste Gebäude hier errichtet und in den folgenden Jahren immer weiter ausgebaut. Wir umrundeten es jedoch erst einmal und steuerten eine ruhige Ecke des Kaps an. Erst einmal ein wenig spazieren gehen. Die Kugel würde uns nicht davonlaufen, jetzt aber genossen wir erst einmal die weitreichenden Blicke übers Meer. Denn das Nordkap ist nicht nur der Globus! Es ist viel mehr - ein fantastisches Fleckchen Erde mit wunderbarer Atmosphäre.

Bild Das Nordkap liegt nicht auf dem Festland, sondern auf der vorgelagerten Insel Magerøya auf dem 30 m hoch aus dem Meer ragenden Schieferplateau mit den Koordinaten 71° 10'21'' N und gilt als der nördlichste Punkt Europas. So ganz richtig ist das nicht, denn eigentlich befindet sich dieser auf der Landzunge Knivskjellodden. Doch wie es häufig so ist - besser vermarkten lässt sich dann doch der imposante Felsen.

Entstanden ist das Nordkap 1553 durch den englischen Seefahrer Richard Chancellor, der auf seiner Nordostpassage auf dem Weg nach China den Felsen entdeckte und ihn kurzerhand als Nordkap bezeichnete. Dabei ist es dann auch geblieben und fortan besuchten viele Reisende diesen Ort, auch, wenn sie dafür einen beschwerlichen Weg mit Kutsche und Pferden in Kauf nehmen mussten.

Auf unserem Weg erreichten wir einen kleinen Skulpturengarten "Kinder der Welt". Diese riesigen "Münzen" (wie ich sie nenne) wurden 1989 hier aufgebaut und stammen aus verschiedenen Erdteilen. Sie symbolisieren Freundschaft, Hoffnung und Zusammenarbeit über alle Grenzen hinaus. Nebenan steht eine Figur "Mutter und Kind".

Wir spazierten weiter zu einem Felsvorsprung und stellen fest, dass der Boden hier aus vielen verschiedenen Steinarten besteht. Vereinzelt konnten wir weiße Steine sehen, die wie Marmor glitzerten. Natürlich sah man auch das ein oder andere Steinmännchen. Schön anzusehen, allerdings nicht gerade gewünscht, denn Steinmännchen zu bauen, zerstört die Vegetation und ist hier ausdrücklich verboten!

Bild Der Blick aufs Meer war unbeschreiblich schön. Was für eine glatte und ruhige See. Wir sahen ein paar Fischerboote und genossen die wahnsinnig gute Luft. Weiter hinten kämpfte sich die Sonne noch ein wenig durch die Wolken. Nicht besonders erfolgreich, aber ein paar Sonnenstrahlen schafften es. Hier hätte ich stundenlang stehen bleiben können. Auch ein paar Rentiere waren wieder zu sehen; jedoch in sicherer Entfernung.

Nun drehten wir jedoch wieder um und marschierten in Richtung des Globus', welcher erst 1977 zum Symbol des Nordkaps wurde. Und siehe da - inzwischen waren es doch weniger Menschen geworden und wir konnten nahezu ungestört fotografieren und fotografiert werden.

Endlich mal hier zu stehen, an einem Ort, den wir uns schon so oft in unseren Gedanken ausgemalt hatten und worüber wir schon so viele Berichte und Fotos gesehen hatten - das war schon ein tolles Gefühl! Klar, es ist "nur" eine Kugel, aber trotzdem - der Ort versprüht eine gewisse Besonderheit!

Dass es bewölkt war, störte mich dabei nicht im Geringsten. Klar wäre es mit Sonne noch ein Stück schöner gewesen, ich aber war einfach nur froh, dass es 1.) nicht regnete und 2.) auch nicht so eisig kalt war. Gut 8, 9 Grad herrschten hier, manchmal kam ein kleiner Windstoß, aber gut eingepackt in unsere Jacken war es ganz angenehm. Eigentlich hatten wir hier mit gerade mal 0 Grad gerechnet.

Kurz vor Mitternacht schauten wir noch in den Souvenirladen hinein, aber hier war die Hölle los. Die Leute kauften ein, als gäbe es kein Morgen. Uns wurde das schnell zu viel und so liefen wir wieder nach draußen. Zudem hatten die dort eingeheizt wie in einer Sauna. Mit dicken Jacken kaum auszuhalten.

Wir gingen wieder zurück zum Globus und Punkt Mitternacht stießen wir mit Prosecco auf meinen Geburtstag an. Toll, da fährt man mit 31 los und kehrt mit 32 Jahren wieder zurück. ;-) Es war jedoch ein schönes Gefühl, diesen Tag an einem mal etwas anderen Ort zu feiern. Immer noch faszinierte es mich, dass es auch um Mitternacht immer noch taghell war. Und wenn ich sonst um diese Zeit schon hundemüde in der Ecke liege; heute war ich topfit.

Bis 0.30 Uhr spazierten wir noch einmal kreuz und quer umher und begaben uns schließlich zum Bus. Die Zeit hier verging wie im Fluge.

Auf dem Rückweg wurden wir wiederum belohnt mit traumhaften Ausblicken. Nun war die Sonne etwas besser zu sehen und hüllte die Landschaft in ein ganz besonderes Licht. Sie spiegelte sich in den Seen, warf orangefarbene Schatten auf die Hügel.

Wieder am Hafen in Honningsvåg angekommen, erwartete uns schließlich eine traumhaft schöne Abendstimmung. Die Wolken hatten sich größtenteils verzogen, die Sonne kam gänzlich zum Vorschein. Was für Motive! Bevor wir wieder an Bord gingen, machten wir noch das ein oder andere Foto, später sahen wir vom Balkon aus beim Auslaufen aus dem Hafen von Honningsvåg zu. Inzwischen war es 2 Uhr nachts, das Meer war rosa eingehüllt, der Himmel blau und kurze Zeit später entdeckten wir den Mond über den Hügeln.

Man kann diesen Anblick und diese Farben nicht beschreiben, man muss es selbst erlebt haben! Selbst mit der Kamera konnte ich diese Stimmung nicht annähernd so einfangen, wie wir sie erlebt haben!

Bild Wir standen auf dem Balkon, um uns herum absolute Stille. Das Meer spiegelglatt, kein Plätschern, gar nichts war zu hören. Dann der weitreichende Blick aufs Meer, weiter hinten die Gebirgszüge, der Mond, mittendrin ein Fischerboot, das sich einfach treiben ließ …

Ich war inzwischen zwar hundemüde, doch diesen magischen Moment wollte ich nicht verpassen. Wir standen ewig hier, ich hätte am liebsten die Zeit angehalten. Es war einer der Momente, in welchem man die ganze Welt umarmen könnte, sich einfach über das Sein freut und einem wieder mal bewusst wird, wie glücklich man sich schätzen kann, solche Reisen erleben und solche tollen Naturschauspiele betrachten zu dürfen ...!!

Irgendwann dann bog der Kapitän ab in den Porsangerfjord. Links und rechts erhoben sich die Felsen, warfen Schatten, und wir entschieden uns, dann doch langsam mal ins Bett zu gehen. Was für ein schöner Tag.

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Fotoalbum Honningsvåg & Nordkap


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