10. Tag: Geirangerfjord & Ausflug ins Hinterland von Geiranger nach Hellesylt


Um 4 Uhr morgens klingelte mein Wecker. Ich wollte die Morgenstimmung erleben und schaute aus dem Fenster, doch momentan war es noch eher bewölkt. Schade, aber so lohnte sich das frühe Aufstehen noch nicht. Also den Wecker auf 6 Uhr gestellt und nochmal zwei Stunden weitergeschlafen; auch nicht schlecht, denn ich war hundemüde.

Um 6 Uhr war ich zwar immer noch nicht fit, schälte mich jedoch aus dem Bett und machte mich fertig für den Tag. Eine halbe Stunde später stand ich mit Kamera bewaffnet auf Deck 14 und betrachtete die Fahrt durch den Geirangerfjord. Noch war nicht viel los, wir waren gerade mal fünf Fotografen und ein paar Crewmitglieder - ansonsten waren viele beim Frühstücken bzw. noch beim Schlafen. Es war wunderbar still, herrlich.

Bild Von Ålesund kommend, fuhr das Schiff zunächst in den Storfjorden, weiter in den Sunnylvsfjord und nun direkt in den Geirangerfjord ein.

Momentan war es noch ziemlich frisch. Die Sonne stand noch nicht so hoch, dass sie die hohen Berge des Fjords überragen würde, weshalb wir noch relativ lange im Schatten fuhren. Ich holte mir eine Tasse heißen Tee und machte es mir in einer windstillen Ecke bequem. Einfach nur auf den Fjord blicken und alles um einen herum vergessen … das gelang mir ziemlich gut; ich genoss diese Zeit, ganz für mich allein.

Der Geirangerfjord ist das Muss eines jeden Norwegen-Reisenden. So zumindest die Aussage vieler, die bisher nach Norwegen gereist sind. Und auch wir hatten schon so viel darüber gehört, dass der Abstecher hierher - neben dem Nordkap - auch für uns ein wichtiges Kriterium für die Reise war.

15 Kilometer lang und bis zu 1,3 Kilometer breit ist der seit 2005 zum Weltnaturerbe der UNESCO erklärte Geirangerfjord. Die Felswände ragen von 500 Meter unter dem Meersspiegel bis zu 1.400 Meter in den Himmel und immer wieder entdeckt man nackte Felsen, von denen dutzende Wasserfälle nach unten schießen. Unglaublich, wie viele es davon gibt. Gestern, als wir von Molde nach Ånalsnes gefahren sind, konnten wir auch immer mal wieder einen Wasserfall betrachten. Doch hier reiht sich tatsächlich einer an den anderen.

Viele von ihnen haben markante Namen, wie z. B. "Brautschleier-Wasserfall" oder auch "Freier" und ganz besonders bekannt und schön sind "Die Sieben Schwestern". Um sie alle ranken sich Geschichten um Liebe, Verzweiflung und Tod.

Ganz langsam kam schließlich die Sonne zum Vorschein und kaum fielen die ersten Strahlen aufs Deck, wurde es auch schon wieder warm. Durch diese Strahlen wirkte die Fjordlandschaft noch viel märchenhafter, ja, sogar irgendwie mystisch, wie in Szene gesetzt. Die Wasserfälle wirkten dadurch noch markanter, noch aufregender, und bei einem gewissen Lichteinfall sah man sogar manches Mal einen kleinen Regenbogen. Es fehlte eigentlich nur noch, dass hie und da ein Troll aus der Höhle winkt. ;-)

Bild Manches Mal waren hoch oben auf den zum Teil auch wiesenbedeckten Hängen kleine Höfe zu sehen. Viele von ihnen bereits zerfallen, da sie nach dem Zweiten Weltkrieg verlassen wurden.

Gegen 7 Uhr wurde es langsam voller auf dem Oberdeck und gegen halb 8 Uhr ertönte plötzlich die Schiffshupe - wir näherten uns "Den Sieben Schwestern". Das Kamerageklicke wurde immer lauter und wilder, die Menschen drängten an die Reeling. Aus den Lautsprechern ertönte stimmungsvolle, klassische, Musik.

Die "Sieben Schwestern" sind, wie der Name schon sagt, sieben direkt nebeinander in den Fjord stürzende Wasserfälle. Der größte von ihnen hat eine Fallhöhe von 300 Metern. Direkt gegenüber befindet sich ein weiterer, etwas größerer, Wasserfall, der "Freier". Einer Sage nach wollte der Freier alle sieben Schwestern nacheinander heiraten, diese jedoch stießen ihn zurück, woraufhin der Freier zum Alkoholiker wurde. Die Form des Wasserfalls soll eine Flasche darstellen. - Man braucht schon viel Fantasie, um das genau so zu sehen. Doch was wäre Norwegen ohne seine Mythen und Sagen??

Alle Fotos in der Tasche, ging ich schließlich wieder zurück in die Kabine und machte es mir auf dem Balkon bequem. Wir erreichten Geiranger, das Dorf am Ende des Fjords. Der Kapitän drehte das Schiff um 180° und ankerte schließlich. Die meisten Schiffe liegen hier auf Reede und bringen ihre Gäste per Tenderboot an Land. Es gibt inzwischen jedoch auch eine kleine Anlegestelle, die allerdings kaum von großen Kreuzfahrtschiffen genutzt wird.

Ich las in meinem Norwegen-Roman weiter, der passenderweise genau in dieser Gegend spielt (Im Land der weiten Fjorde von Christine Kabus). Einen besseren Platz zum Lesen dieser Geschichte gibt es kaum.

Bild Inzwischen war Toni aufgestanden und gegen 8.30 Uhr machten wir uns auf den Weg zum Theater. Für heute hatten wir einen geführten Ausflug über MSC gebucht: Von Geiranger nach Hellesylt. Ursprünglich wollten wir ja auf eigene Faust etwas unternehmen und einen privaten Tourguide bereits von Deutschland aus organisieren, was sich dann aber letztendlich als problematisch herausstellte. Zum Glück, denn erst gestern Abend hatten wir anhand des "Daily Programs" erfahren, dass der heutige Ausflug in umgekehrter Reihenfolge als zunächst angegeben stattfinden würde. Eigentlich sollten wir ja in Hellesylt aussteigen und das Schiff am selben Tage erst gen Nachmittag nach Geiranger weiter fahren. Doch dieses Vorhaben wurde verworfen und wir fuhren auf direktem Wege dorthin. Hätten wir einen eigenen Ausflug gebucht, wäre es wohl etwas schwierig geworden, dies so kurzfristig abzuändern.

Gegen 8.45 Uhr marschierten wir schließlich zunächst zu den Tenderbooten und anschließend zu den bereits im Ort stehenden Bussen. Puh - da war ganz schön was los. Den Ausflug hatten eine ganze Menge Leute gebucht. Kein Wunder, es war ja auch einer der schönsten, anhand dessen man am meisten von dieser Landschaft hier sehen würde.

Einen Platz am Fenster gesichert, ging die Fahrt kurze Zeit später auch schon los. Wir hatten einen netten jungen Herrn als Guide, der uns während der Fahrt einiges (aber nicht zu viel) über Norwegen erzählte. Weniger von der Geschichte, sondern vielmehr über die Landschaft, aber auch über das alltägliche Leben der Norweger, was uns immer ganz besonders interessiert. Einfach auch der direkte Vergleich zum Alltagsleben im eigenen Land.

Geiranger selbst ist ein winziges Dorf. Gerade mal 300 Leute wohnen hier, wovon die Hälfte in einem Hotel am Ort tätig ist. In den Sommermonaten ist es hier häufig überlaufen, v. a. natürlich, wenn viele Kreuzfahrtschiffe anlegen. Auch ist es sehr steil hier. Wer hier selbst auf Tour geht, sollte daher gut zu Fuß sein, für ältere Leute kann es schnell zu anstrengend werden.

Quer durch den Ort gefahren, mit Blick auf den Ortskern, die Souvenirläden und auch auf die Hotels, erreichten wir wenig später den Aussichtspunkt Flydalsjuvet. Übersetzt heißt das "Abgrund" und ist ein beliebter Aussichtspunkt auf den Geirangerfjord. Auch wir hatten von diesem Punkt aus schon zahlreiche Bilder gesehen und wollten ebenfalls unbedingt einmal selbst hier stehen und ein Foto vom Fjord machen. Dass wir auch heute wieder so ein unbeschreibliches Glück mit strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel haben sollten - ein Wahnsinns-Gefühl.

Bild Weiter ging die Fahrt schließlich zum Aussichtspunkt Dalsnibba, ca. 17 km von Geiranger entfernt. Die Fahrt dorthin war allein schon spektakulär. Zunächst noch auf einer befestigten Straße entlang gefahren, bogen wir schließlich ab auf eine Schotterstraße (Maut: 100 NOK = ca. 13,- €, Stand: Juli 2013) die zum ca. 1.500 m hohen Dalsnibba führt. Neben der Berghütte Djupvasshytta schimmert blaugrün der See Djupvatnet auf 1.016 Metern, toll!

Wo unten noch zahlreiche Bäume zu sehen waren, wurde es nun immer karger und es folgten vereinzelt dicke Eisplatten. Daneben Geröll, manches Mal kleine Flüsse bzw. Seen und immer mal wieder Grünflächen. Was für eine beeindruckende Landschaft!

Oben angekommen, hatten wir einen weitreichenden Blick über das Gebirge sowie auf den Geirangerfjord. Auch konnten wir die Straßen erkennen, auf denen wir soeben gefahren waren. Unbeschreiblich! Hier wurde uns ein fantastischer 360°-Rundum-Blick geboten.

In dem angrenzenden Souvenirladen warf ich meine Karten in den Postkasten - gespannt, wie lange die Reise dauern wird. :-)

Langsam ging die Fahrt wieder weiter, die soeben genutzte Schotterstraße wieder zurück und weiter nach Grotli. Dort beginnt der Gamle Strynefjellsvegen, übersetzt: Alte Strynefjell-Straße.

Bild Sie ist eine rund 100 Jahre alte, 27 km lange, schmale Schotterstraße auf der Hochebene des Strynefjell, die die Orte Grotli und Videseter miteinander verbindet und die wir nun entlang fuhren; geöffnet ist die Straße von Mai bis September.

Ich genoss diese Fahrt in vollen Zügen. Was für eine Wahnsinns-Landschaft. Einfach unglaublich. Nicht nur die Fjordlandschaften sind so wunderschön, auch das Hinterland ist einfach ein Traum; anders kann man es nicht beschreiben. Unberührte Landschaft, wunderschöne Farben. Schneebedeckte Gipfel, grüne Wiesen, hier und dort ein paar Blumen, dazwischen immer wieder große und kleine Seen; glasklar.

Der Reiseleiter erzählte uns, dass hier viele Norweger, allen voran die Städter aus Oslo, Hütten besitzen, wo sie sich in den Ferien oder auch übers Wochenende gerne aufhalten. Zwar gibt es hier in der Regel keinen Strom und kein fließend Wasser, doch genau das finden die Norweger so schön daran. Sie lieben ihr Land, die unberührte Natur, und sind unglaublich stolz auf ihre Heimat, was auch die zahlreichen Flaggen zeigen, die in den Dörfern und Städten häufig in den Gärten der Leute zu sehen sind.

An einer besonders schönen Stelle machten wir einen kurzen Stopp und so konnte ich dieses Landschaftsbild zumindest annähernd in einem Panorama festhalten.

Wenig später fuhren wir noch an einem bekannten Skigebiet vorbei und erreichten schließlich Videseter. Hier kehrten wir im gleichnamigen Hotel auf ein Mittagessen ein; ein wenig Beine vertreten und den Hunger stillen.

Bild Das Hotel existiert seit 1903 und hat seitdem jeden Sommer über geöffnet. Im Winter ist es nur immer zu bestimmten Zeiten für Touristen buchbar. Der Ausblick vom Restaurant ist wirklich einmalig. Direkt hinter dem Hotel befindet sich ein fantastischer Wasserfall, den ich mir natürlich vor Weiterfahrt noch ansehen musste.

Gegen 14 Uhr ging die Fahrt wieder weiter und wir erreichten den Aussichtspunkt Fosnes am Oppstrynsvatnet, einem wunderschönen See, der aber auch gut bei uns in Bayern hätte sein können. Zwei Franzosen hatten es sich hier mit Angeln gemütlich gemacht und waren wohl gerade dabei, sich ihr heutiges Abendessen zu fischen. Irgendwann zog es dann auch an der Schnur, allerdings Fehlalarm. Ein paar Fotos gemacht, stiegen wir wieder ein und weiter ging die Fahrt ins kleine Örtchen Stryn.

Hier bummelten wir ein wenig durch den Ort, der mir auf Anhieb gut gefallen hat. Kleine Bars und Restaurants, nette Souvenirläden, aber auch einladende Boutiqen. Gerade mal 3.000 Einwohner zählt die Stadt, die in einer der landschaftlich reizvollsten Gegenden Norwegens liegt.

Der nächste Stopp war am Hornindalsvatn in Grodås, ein See, der mit 514 m Europas tiefster See ist. Der Seespiegel liegt 53 m über dem Meeresspiegel, die tiefste Stelle 461 m unter dem Meersspiegel. Vom Garten des Hotels Raftevolds hatten wir einen schönen Blick darauf, allerdings kann man die Tiefe ja nur erahnen und ansonsten sah der See nicht ganz so spektakulär aus. ;-)

Der letzte Halt war schließlich an einer alten Brücke, deren Namen ich leider vergessen habe. Im kleinen Bach testeten wir mal, wie kalt das Wasser hier eigentlich ist; doch es war sogar ganz angenehm; zum Baden allerdings nicht geeignet. Zumindest nicht für uns, wenig später sahen wir eine Gruppe Jugendlicher, die in einem anderen Fluss badete.

Inzwischen war es schon kurz nach 17 Uhr und wir erreichten Hellesylt. Der Ort ist ziemlich klein, nicht sonderlich sehenswert, aber: Einen Wasserfall hat er! ;-)

So schön der heutige Tag auch war - ich freute mich jetzt doch aufs Schiff. Wir hatten so viel gesehen, dass ich ganz erschlagen war von den vielen Eindrücken, außerdem brannte den ganzen Tag über die Sonne auf uns nieder, auch in den Bus, und ich war fix und fertig.

Noch eine Kleinigkeit im Souvenirladen geholt, ging es schließlich mit dem Tenderboot wieder zurück aufs Schiff. In der Sahara-Cafeteria aßen wir noch eine Kleinigkeit als Vorschuss auf das Abendessen und ließen uns kurze Zeit später am Pooldeck nieder. Eigentlich sollte das Schiff bereits um 17.30 Uhr aus Hellesylt auslaufen; doch manche Busse hatten sich wohl verbummelt und so legte der Kapitän erst knapp eine Stunde später ab.

Inzwischen bekam ich ziemliche Kopfschmerzen und damit sie nicht wieder in Migräne ausarten würden, legte ich mich vorsichtshalber ein wenig hin. Die Fjordlandschaft hatte ich ja heute Morgen schon bewundert, von daher würde ich jetzt nicht viel verpassen. Toni machte es sich in der Zwischenzeit auf dem Balkon bequem, doch lange sollte er dort nicht sitzen, denn kurze Zeit später zog ein heftiges Gewitter auf. Ein Blitz schlug direkt neben dem Schiff ein und schreckte mich auf. Es gab einen kurzen, aber heftigen Regenschauer, was toll aussah - hinten die Sonne, vorne der Regen. Tja, so hatten wir doch etwas Nass abbekommen; doch von der Kabine aus absolut vertretbar. :-)

Bild Zwei Stunden später war ich wieder fit; den Schlaf hatte ich aber auch gebraucht. Nun machten wir uns fertig für den Abend und beim gemülichen Beisammensein im Restaurant tauschten wir uns mit unseren Tischnachbarn über die jeweiligen Erlebnisse aus.

Nach dem Abendessen spazierten wir nochmals hoch auf Deck, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Tja, die langen Nächte waren nun also wieder vorbei, nun wurde es nachts auch wieder richtig dunkel.

In der Sports Bar, die wir langsam zu unserer Lieblingsbar erklärt hatten, gab es noch einen letzten Absacker, dann ging dieser lange Tag langsam zuende.



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Fotoalbum Geiranger & Umgebung


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